2.1.1 Erzbergbau
Besonders im Norden und im Westen
des Hohen Westerwaldes, wo die Basaltdecken das devonische Grundgebirge überlappen,
wurden an vielen Stellen Überreste mittelalterlicher Eisengewinnung
aufgefunden. Beiderseits der beiden Nisterbäche darf nach vorsichtigen
Schätzungen von etwa 250 Verhüttungsplätzen ausgegangen werden. Allein im
Umkreis von Lautzenbrücken wurden von Paul Weiershausen in den Dreißiger-Jahren
des 20. Jahrhunderts 60 Schlackenhügel zum Teil ausgegraben, kartiert und
beschrieben. Eine starke Konzentration von Waldschmieden konnte in den
vergangenen 20 Jahren auch im Waldgebiet Nauberg zwischen Nister und Norken
festgestellt werden. In einigen Schlackenhügeln belegen aufgesammelte
Keramikscherben die Eisenherstellung zwischen dem 11. und 14. Jahrhundert.
Insgesamt wurden zwischen 1725 bis 1908 nachweislich mindestens 555
Grubenfelder verliehen. Seit dem 12. Jahrhundert erfolgte der Übergang vom
Tagebau in den Tief- bzw. Stollenbau
Ein Bergmann verdiente zu Beginn
des 19. Jahrhunderts bei einer 6-stündigen Schicht umgerechnet etwa 0,34 €. Ein
Pfund Brot kostete dagegen schon 0,26 €, ein Zentner Kartoffeln 1,28 € und ein
Paar Schuhe ca. 5,00 €. Dabei hatte der Bergmann sein Arbeitszeug selbst zu
bezahlen. Bergmannsarbeit war deshalb meist ein Zubrot für das Überleben der
Großfamilien neben der Landwirtschaft.
Auf Eisenerze wurde früher
ebenfalls gebaut bei Luckenbach (Eisenglanz und dichter Brauneisenstein) auf
den Gruben „Wacht“ und „Philippszeche“, bei Höchstenbach (Höchstenbacher
Wiesen) auf Grube „Kunst“ (Kupferkies, Kupfergrün und Spateisenstein), bei
Unnau und Norken Eisenerzgruben „Steinberg“, bei Winkelbach auf der Grube „Eiskeller“,
bei Roßbach (früher: Ober- und Niederroßbach) auf der Grube „Roßbach“ (die 1870
36 Beschäftigte, 1884 ca. 140 Bergleute und später über 200 Mitarbeiter zählte;
Stillegung erfolgte 1898; es wird in 1884 berichtet, daß in Folge der
angelegten Eisensteingruben die Brunnen versiegten), bei Bölsberg auf der
„Georgszeche / Schwarze Kauten“ (Eichenwald) sowie auf „Amos“ und bei
Enspel/Todtenberg auf den Eisensteingruben „Steinberg“ (Glaskopf). Das
Bölsberger Brauneisenerz sollte auf der 1722 errichteten Eisenhütte bei Langenbach/M.
mit verkokten Braunkohlen, nicht fern vom Hüttenwerk, „am Esch“, gewonnen,
verarbeitet werden. Die Versuche fielen aber so ungünstig aus, daß In- und
Außerbetriebnahme fast zusammenfallen. Die „Eisenkaute“ (Lautzenbrücken),
gefördert wurde Eisenstein, lag an der Köln-Leipziger-Straße zwischen Kirburg
und Abzw. Bad Marienberg; auf ihr war mein Vater noch bis zum Jahre 1928 als
Maschinist tätig. Sie war auch unter dem Namen „Gutehoffnungshütte“ bekannt,
wird 1770 erstmals erwähnt und wurde 1930 (man erwähnt hierfür auch 1928)
stillgelegt. Es wurden davon ca. 300 Familien betroffen. In Aufzeichnungen wird
auch noch von den Eisenerzgruben „Heimborn“, „Hardt“, „Rose II“ und „Josephine“
in der Kroppacher Schweiz berichtet, von der Rotheisensteingrube „Rothenstein“
in der Gemarkung Oberhattert, konsolidiert mit der Brauneisensteingrube
„Scheibe“ in der Gemarkung Mittelhattert und der Brauneisensteingrube
„Heldstein“ in der Gemarkung Oberhattert. In der heutigen Gemarkung „Nistertal“
(Büdingen/Erbach) und Umgebung werden zahlreiche Eisenerzgruben (auf den
Ausläufern des Südflügels des „Siegerländer Hauptsattels“) erwähnt, z.B. in
Erbach im Distrikt Hähn die „Krummszeche“ (Blei- und Kupfererz, Zinkblende) und
die Gewerkschaft „Peterchen“ im Walddistrikt Scharfenstein nahe der Straße von
Hardt nach Unnau (Eisenerz). Benannt werden sollen auf den Ausläufern des
Südflügels des Siegerländer Sattels auch die Gruben „Gustav-Adolf“ in Unnau,
„Ziest“ in Stangenrod, die „Georgszeche“ in Kirburg, die „Eisenquelle“ in
Unnau, „Denker“ in Stangenrod, „Anna II“ in Büdingen südlich der Wegegabelung
der Straße Büdingen-Dreisbach (Zinkerze) sowie die Felder „Nassau &
Füllhorn“ und „Erbach & Nassau“, auch die Distrikte „Seifen“ und
„Mehlenheck“ in Erbach. Ein Eisenwerk bei Korb soll ebenfalls existiert haben.
In der Kroppacher Schweiz kamen
übrigens in abwechselnder Folge Erzgänge mit Blei-, Silber-, Kupfer-, Zink- und
Eisenerzen und mit Schwerspat, teilweise mit Nickelerz bereichert, vor. Es
sollen aufgezählt werden:
· Kupfererzgrube
„Steinchen“ bei Kundert (hatte 1906 14 Beschäftigte)
· Gruben
„Paul“ und „Schellert“ bei Niedermörsbach
· Grube
„Silberschnur I bis VI“ bei Giesenhausen, Stein und Ahlhausen
· Gruben
„Concordia“ und „Ludwig“ nahe Stein (heutiges Stein-Wingert)
· Grube
„Lore“ bei Wingert (heutiges Stein-Wingert)
· Grube
„Bleiberg“ in Streithausen
· Eisensteingrube
„Steinfeld“ in Atzelgift.
In der Nähe von Hachenburg und
Alpenrod waren
die Gruben „Urwald“ (Bleierz),
Alpenrod, „Auf dem Krumrich“ („Cramerich“), (Brauneisenstein und Kupferkies),
Alpenrod, „Germania X“ (Blei- und Kupfererz), Alpenrod, „Kühberg I“, „Beata“
(früher „Flora“) und „Gute Hoffnung“ (Kupfererz, Braun- und Spateisenstein),
Gewerkschaft „Johannes Hoffnungsstern“ (Eisenerz) und „Victoria“(Eisenerz),
„Füllhorn“ (Braueneisenstein), „Zuflucht“ (Eisenerz) alle Alpenrod. Es ist auch
bekannt, daß am 9.4.1935 dem Pächter des Grubenfeldes Gewerkschaft Himburg
(Ortsteil der Gemeinde Rothenbach) gestattet wurde, im Distrikt „Wetzstein“
nach Eisenerz zu schürfen. Bis 1939 waren die Arbeiten erfolglos und wurden
eingestellt.
In Marienberg in der Adolfstr. 9
gab es um 1920 die Grubenverwaltung der „Heddernheimer Kupferwerke“.
Wegen der vielen
Grubenstillegungen des Oberwesterwälder Erzbergbaus fanden, wie aus den
Unterlagen des Hessischen Hauptstaatsarchivs Wiesbaden ersichtlich ist, 3
Bergarbeiter-Versammlungen statt. Der Landrat des Oberwesterwaldkreises berichtet
hierzu am 28.2.1900 an den Regierungspräsidenten zu Wiesbaden:
„…I. Die christlich soziale Partei hat im Laufe des Monats Februar
d.Js. 3 Versammlungen im Oberwesterwaldkreis zusammenberufen und zwar
Sonnabend, den 11. Februar d.Js. in Kroppach, Sonntag, den 11. Februar d.Js.
nachmittags in Marienberg und am selben Tage abends in Unnau. Als Redner trat
ein Dr. Burkhardt aus Godesberg auf; der Inhalt des Vortrages war in allen 3
Versammlungen fast der nämliche. Die Versammlungen sind nicht polizeilich
überwacht worden; doch war in der Marienberger der Gendarm Zikorsky, in der
Kroppacher der Gendarm Köth von Höchstenbach anwesend. Die Marienberger Versammlung
anlangend, so hat der „Rheinische Kurier“ des Richtige gebracht. Denn nach Text
und Inhalt der Rede des Dr. Burkhardt scheint der erste und Hauptzweck der
Versammlung die Ausbreitung der Partei im Hinblick auf die nächsten politischen
Wahlen zu sein. Bekanntlich hat die christlich soziale Partei bereits anläßlich
der letzten Reichstagswahlen viele Geldmittel in den Westerwald geworfen und
lebhaft agitiert. Redner versuchte in längerer Ausführung darzulegen, daß die
Arbeiter ihre Interessen nur dann wirksam vertreten könnten, wenn sie organisiert
seien und die christlich soziale Partei habe es sich zur Aufgabe gemacht diese
Organisation in wirksamer Weise durchzuführen. Aber nicht allein die Arbeiter
seien zu organisieren, sondern für die Handwerker würde die Organisation ebenwohl
segenbringend sein, weshalb die christlich soziale Partei es sich zur weiteren
Aufgabe gemacht, auch hierfür einzutreten und ein Fortschritt sei schon mit der
Novelle zur Gewerbeordnung vom 21. Juli 1897
gemacht worden. Weitere Aufgabe der christlich sozialen Partei seien
Neubelebung der immer mehr schwindenden Pflege der Christenlehre, der die
bestehende Staats- und Gesellschafts-Ordnung untergrabenden Sozialdemokratie
entgegenzuwirken, und der Sittenverderbnis der größeren Städte zu steuern und
hierbei durchzusetzen, daß die Prostitution überhaupt nicht mehr geduldet
werde. Um nun die Einrichtungen und Zwecke der Arbeiter-Organisation sowie der
Partei den betreffenden Bevölkerungskreisen bekannt zu geben, sei zunächst
darauf hinzuwirken, daß die Parteizeitung, das in Siegen erscheinende „Volk“
die weitgehendste Verbreitung erfahre. Dieses solle dadurch erreicht werden,
daß in jedem Dorf ein Vertrauensmann bestellt würde, welcher die Abonnenten auf
das Blatt anwerben müsse. II. Erst nach diesen Darlegungen kam als zweiter
Punkt die Inbetriebsetzung der Haniel’schen Gruben im Kreise auf die
Tagesordnung. Redner führte hierbei ganz richtig aus, daß es als ein großer
Übelstand für die Arbeiter aus dem Kreise anzusehen sei, daß dieselben mangels
heimischer Gelegenheit dazu gezwungen sind, die Industriebezirke der
angrenzenden Theile der Rheinprovinz sowie der Provinz Westfalen aufzusuchen,
wodurch der Verdienst für die Kosten für Nahrung und Logis am Arbeitsorte
erheblich geschmälert und außerdem das Familienleben durch die ständige Abwesenheit
des Mannes erheblich geschädigt würde. Diese Mißstände würden aber
verschwinden, wenn den Arbeitern Gelegenheit zu ausreichendem Verdienst in der
Heimat gegeben sei. Dieses sei dadurch zu erreichen, daß die zahlreichen Haniel’schen
Gruben im Kreise in Betrieb gesetzt würden. Dieses müsse erreicht und
nötigenfalls zu erzwingen versucht werden. Die Verkehrsverhältnisse auf dem
Westerwalde stünden dem Betrieb der Gruben nicht mehr im Wege. Die Straßen
seien in gutem Zustande, mehrere Eisenbahnen durchquerten den Westerwald und in
den nächsten Jahren träten noch neue Bahnlinien hinzu. Um die Sache weiter zu
verfolgen, und die Verhandlungen zu führen, wurde eine Commission gewählt; und
beschlossen, zunächst eine Massenpetition an das Kgl. Oberbergamt zu Bonn zu richten und wenn hiermit ein Erfolg
nicht erreicht würde, bei dem Herrn Minister vorstellig zu werden. Daß die
gleiche Angelegenheit meinerseits aufgegriffen ist und ich mit der Gutehoffnungshütte
dieserhalb in Verkehr stehe, habe ich bereits anderweit berichtet…“
Einige Passagen aus dem zitierten
Bericht des „Rheinischen Kurier“ dürften auszugsweise noch interessieren:
„…wandern Montags gewiß an 1000 Arbeiter vom Westerwalde, meist
Bergleute, in das benachbarte Siegerland, um dort lohnenden Verdienst zu
finden. Samstags kehren dieselben wieder zurück. Nun will man auf Grund des §
65 des Berggesetzes obige Gesellschaft zu zwingen suchen, ihre Gruben hier und
in der Umgebung in Betrieb zu setzen, damit die Bergleute in der Heimat bleiben
und ihren meist kleinen Ackerbau mitversehen können… Daß der
christlich-sozialen Partei aber erst in zweiter Linie das Wohl der Bergleute am
Herzen liegt, vielmehr die Organisation und Ausbreitung ihrer Partei…“
Eine vierte ähnliche Versammlung
war für Westerburg vorgesehen, die wohl den gleichen Verlauf genommen hat, über
die aber kein Bericht vorliegt.
Ähnliche Klagen äußerte auch in
1901 der Gutsbesitzer K. Schneider auf Hof Kleeberg bei Hachenburg:
„…Die 4000 bis 5000 Arbeiter, welche in der Industrie seit Abschluß der
letzten Handelsverträge guten Nebenverdienst finden, entstammen fast alle
unseren kleinbäuerlichen Familien und ihr Verdienst kommt dem kleinen Landwirtschaftsbetrieb
zu gut. Herr Landrat Büchting schreibt in seinem Kreisverwaltungsbericht pro
1898/99 wörtlich ‚Der wirtschaftliche Aufschwung der Industrie ist nicht ohne
Einfluß auf den Kreis geblieben. Fast 4000 Arbeiter wandern allwöchentlich in
das Siegerland, um in den Bergwerken und Fabriken zu arbeiten…’…“
In den Nachbarkreisen dagegen
hielt der Mangel an Bergarbeitern weiter an. Im Januar 1906 wurden z.B. in den
Siegerländer Gruben infolge günstiger Konjunktur 300 - 400 Hauer und Schlepper
gegen hohen Lohn gesucht.
Bedenken wegen der Beschäftigung
in der Industrie, ohne einen Beruf zu erlernen, werden auch in einem Bericht
vom 3.5.1901 geäußert:
„…Fast niemand will mehr ein Handwerk erlernen, weil meist bei der
dreijährigen Lehrzeit nicht nur kein Geld verdient wird, sondern noch Lehrgeld
gezahlt werden soll. Die meisten Eltern schicken deshalb ihre Jungen in
Fabriken oder in industrielle Werke, wo dieselben 1,20 bis 1,50 Mk. täglich
verdienen. Kräftige jugendliche Arbeiter verdienen als Steinklopfer täglich
sogar 3 Mk. und noch mehr. Wegen dem sofortigen Geldgewinn werden die meisten
aus der Schule entlassenen Jungen Taglöhner und viele Eltern denken des
Verdienstes wegen nicht an die Zukunft ihrer Söhne. Viele Handwerksmeister, die
einige Beihilfe in ihrer Werkstätte haben müssen, sehen jetzt ganz von Zahlung
eines Lehrgeldes ab, ja sie geben den Lehrlingen sogar freie Verpflegung und
obendrein noch eine Vergütung, wenn auch nur zur Zeit der Sonntage…“.
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