KAPITEL 10.
Gewerkschaften im Oberwesterwald heute
Einhergehend mit dem
Strukturwandel, änderte sich auch im Laufe der Jahrzehnte das gewerkschaftliche
Organisationspotential.
Unternehmen, die zum Teil während
des Krieges nach Marienberg ausgesiedelt wurden, kehrten wenige Jahre später an
ihre Stammorte zurück (z.B. Bekleidungsindustrie). Andere stellten die
Produktion nach der Währungsreform ein, da nunmehr ein entsprechender
Absatzmarkt fehlte. Ich denke dabei nur an den Westerwälder Rundholzbau Waldemar
Heß in Langenbach b. Mbg. oder an die Lampenschirmfabrikation Georg Hassepass
in der Bacher Lay (wegen Zahlungsunfähigkeit des Betriebes half der Belegschaft
auch keine zeitweise Besetzung der AGB-Kreisgeschäftsstelle). Andere Betriebe
siedelten sich in den Nachkriegsjahren an und bestehen noch heute; z.B. Lebek,
Marienberg (derzeit ca. 300 Beschäftigte); O. Kasper, Marienberg (der
inzwischen wieder nach Mitteldeutschland zurückkehrte).
Die Lederwarenindustrie, während
des Krieges für die Wehrmacht auf Hochtouren produzierend, wurde nach und nach
stillgelegt. Auch für die Sägeindustrie kam das „Aus“.
An die Braunkohlengrube
„Alexandria“ erinnert nur noch der auf dem Marktplatz in Höhn aufgestellte
Förderturm. Aber das Wasser aus der Tiefe des Grubensystems läuft schon seit
1973 nicht mehr ungenutzt in die Nister. Seit diesem Zeitpunkt holt nämlich die
Verbandsgemeinde Bad Marienberg einen Teil des benötigten Trinkwassers aus dem
Bergwerk. Die Grube „Alexandria“ dient nun als Spender kristallklaren Wassers.
Unheimliche Kubikmetermengen rauschen täglich aus dem Stollenmund am ehemaligen
„Strandbad“ im Bad Marienberger Stadtteil Langenbach. Aber das Wasser aus dem
Stollen der Grube Alexandria versorgt nicht nur die Verbandsgemeinde Bad
Marienberg, sondern auch einen großen Teil der Verbandsgemeinde Westerburg und
über den Hochbehälter Obersayn auch Teile der Verbandsgemeinden Wallmerod und
Selters.
Aus stillgelegten Steinbrüchen
wurden Biotope; in Marienberg entstand ein Basaltpark (Außenstelle des Landschaftsmuseums
Hachenburg). Der etwa 30 m tiefe Steinbruch zu Dreisbach hat sich mit Wasser
gefüllt und dient jetzt als Fischweiher.
Aus den Steinbrüchen im Stöffel
wurde die Basalt-Actien-Gesellschaft (Bergisch-Westerwälder-Hartsteinwerke).
Die Stöffelstraße umfaßt Vorratshalden und Aufbereitungsanlage. 1999 wurde fast
die gesamte Klassier- und Veredelungsanlage nach modernsten Maßstäben neu
errichtet und auf den heutigen Stand der Technik gebracht. Im weitgehend
automatisierten Zerkleinerungs- und Veredelungsprozeß können 9 Mitarbeiter
zwischen 250.000 und 350.000 Jahrestonnen produzieren. Orientiert an den
Marktwünschen werden in dem nach DIN ISO 9002 zertifizierten Steinbruchbetrieb
Einfachgemische, Edelsplitte und Sonderprodukte hergestellt.
Neuerdings wird auch darüber
gestritten, wieder mit dem Basaltabbau in der Bacher Lay, wo das sagenumwobene
„Paffenmal“ liegt, auf der Hälfte der ursprünglich vorgesehenen Fläche zu beginnen;
ebenso sind Bestrebungen im Gange, im Nauberg bei Norken einen Steinbruch
wiederzueröffnen.
In der Druckindustrie änderte
sich mit Einsatz moderner Technik (Fotosatz, Offsetdruck) vieles; der
Schriftsetzer alter Art wurde überflüssig.
Es gibt in den ehemaligen 148
Gemeinden und 3 Städten des Oberwesterwaldes, die nach dem 2. Weltkrieg noch
vorhanden waren, keine „Dorfschulen“ mehr, sondern nur noch Grund- und
Hauptschulen, wobei die Schüler teilweise mit Schulbussen zum Schulort gefahren
werden. Hinzu kommen die Realschulen, Sonderschulen und das Gymnasium Abtei
Marienstatt.
Mit dem Niedergang des
Braunkohlenbergbaues und der Basaltindustrie gab es aber auch eine
wirtschaftliche Neuorientierung. Ich will hier nur einige neue Unternehmen
aufzählen oder solche, die expandiert oder ihre Produktion umgestellt haben:
· Voss-Automaten
GmbH, Bad Marienberg-Eichenstruth (25 Beschäftigte)
· RAS-Schweißtechnik,
Nistertal (75 Arbeitsplätze)
· CRACO,
Stahl-Verschleißteile, Atzelgift (60 Beschäftigte)
· Schilderfabrik
Egon Künkler, Unnau (20 Mitarbeiter)
· Peter
Schäfer, Maschinenbau u. Freizeittechnik, Linden (32 Mitarbeiter)
· GRIWE
GmbH, Sainscheid, Achs- und Sicherheitskomponenten für die Automobilindustrie
(ca. 250 Beschäftigte)
· Vecoplan,
Anlagen für Recycling und Entsorgung Bad Marienberg-Eichenstruth (190
Beschäftigte, davon 21 Auszubildende)
· Joachim
Marx, Lüftungstechnische Anlagen, Nistertal
· Klöckner
GmbH (Birkenhof-Brennerei), Getränke-Fachgroßhandel, Nistertal
· Apparatebau
und Großkücheneinrichtungen Scholl, Bad Marienberg-Langenbach (75 Beschäftigte)
· Ebener,
Fassaden- und Profiltechnik, Bad Marienberg-Eichenstruth, Zweigwerk von
Schmehmann-Ebener in Bad Marienberg (90 Beschäftigte)
· Lampertz,
Sicherheitstechnik, Hof (ca. 215 Beschäftigte); das Unternehmen hat derzeit
noch seinen Sitz in Betzdorf
· Held-Tore,
Kirburg (ca. 50 Mitarbeiter)
· Haymann,
Dekorationsartikel, Norken (90 Festangestellte und ca. 40 Saisonkräfte)
· Fingerhut,
Fertighäuser, Neunkhausen (knapp 150 Beschäftigte
· Sägewerk
Koch, Langenbach b.K. (60 Beschäftigte)
· Haas,
Altholzaufbereitung, Dreisbach (ca. 50 Beschäftigte)
· H
& M Industriebau, Bad Marienberg (12 Beschäftigte und bei Großaufträgen
zusätzliche Leiharbeiter)
· Elektrogroßhandlung
Gäfgen, Unnau-Korb (jetzt fast 100 Beschäftigte)
· Obstimporte
Kurt Schneider, Bad Marienberg-Langenbach (entwickelte sich vom Familienbetrieb
der Nachkriegszeit zu einem Unternehmen mit 160 qualifizierten Arbeitsplätzen)
· Firmengruppe
Mann, Spedition, Naturenergie usw., Langenbach b.K. (100 Beschäftigte)
· Fahrzeugbau
Kempf, Bad Marienberg-Langenbach (100 Beschäftigte)
· Reinigungsfirma
KMA, Büroräume jetzt in Bad Marienberg-Zinhain (ca. 50 Beschäftigte)
· Metallverarbeitungs-GmbH
GDH, Werkzeuge für Stanz- und Umformtechnik, Bad Marienberg, Jahnstr. 4 (30
Mitarbeiter und Azb.)
· Karl
Giehl GmbH & Co KG, Nistertal, Lebensmittelgroßhandlung (45 Arbeits- und
Ausbildungsplätze)
· Küster
ACS, Bad Marienberg (und Stammhaus in Ehringshausen), Spiralen für die
Automobilindustrie, Systemlösungen für Bremsmodule
· Aluform-Metallhandel,
Bad Marienberg-Eichenstruth (49 Beschäftigte).
Der Fremdenverkehr wurde
erheblich ausgebaut. Die Städte und Gemeinden wiesen Industrie- bzw.
Gewerbegebiete aus, die für neue Arbeitsplätze sorgten. Die Bundeswehr mit
ihren Standorten in Westerburg und Rennerod, mit Depots und kleineren Dienststellen
sowie die Standortverwaltung Stegskopf haben ebenfalls viele zivile Arbeitsplätze
geschaffen.
Aber auch danach und in der
neuesten Zeit ist der Strukturwandel nicht zur Ruhe gekommen. Die
Eisenbahnstrecken wurden größtenteils stillgelegt und mancherorts als Rad- bzw.
Wanderwege ausgebaut. Vom Bau der inzwischen fertiggestellten neuen ICE-Trasse
Köln-Frankfurt ist der obere Westerwald allerdings nicht tangiert.
Im Fernmeldedienst ist „Das
Fräulein vom Amt“ verschwunden. Postämter und Poststellen wurden aufgelöst;
ersatzweise hierfür werden die Postdienste in Geschäften angeboten (Postagenturen).
Die Gendarmerieposten,
Polizeistationen usw. gibt es nicht mehr, nur noch Polizeiinspektionen in
Hachenburg und Westerburg.
Die Amtsgerichte Rennerod u.
Wallmerod wurden zum 1.1.1967 aufgelöst und dafür das Amtsgericht Westerburg
errichtet. Das Amtsgericht Marienberg wurde zum gleichen Termin dem Amtsgericht
Hachenburg zugeschlagen, bevor auch letzteres zum 1.4.1973 mit Westerburg
zusammengelegt wurde. Aus den einzelnen Gemeinden und Städten wurden
Verbandsgemeinden. Es gibt nur noch eine AOK für den gesamten Westerwaldkreis
(Regionaldirektion in Montabaur), dazu in jeder Verbandsgemeinde (mit Ausnahme
von Wallmerod) Regionalstellen. Und, wie bereits eingangs erwähnt, wurde das
Landratsamt (bzw. die Kreisverwaltung für den Oberwesterwald) Westerburg mit
dem Unterwesterwald zum Westerwaldkreis mit Sitz in Montabaur zusammengeschlossen.
Was die Kommunalverwaltung anbetrifft, existieren die Verbandsgemeinden Bad
Marienberg, Hachenburg, Rennerod, Wallmerod und Westerburg. Die Bürgernähe soll
noch durch Ortsbürgermeister gewahrt werden.
Die Volksbank Marienberg ist, wie
auch die Vereinsbank Rennerod (Emmerichenhain) und die Raiffeisenbank Langenhahn,
in der Volksbank Westerwald mit Sitz in Hachenburg aufgegangen.
Mit den Änderungen in Industrie,
Handel, Gewerbe und Verwaltung einher ging auch die Umorganisation der Gewerkschaften
auf örtlicher und überörtlicher Ebene. Im Zeitalter des Telefons, des
Beitragseinzugs im Lastschriftverfahren und der allgemeinen Motorisierung ist
leider die Gewerkschaftspräsenz am Ort zurückgegangen. So gehört nun der
DGB-Kreis Westerwald mit einigen weiteren DGB-Kreisen zu 56068 Koblenz,
Moselring 5-7a. Wegen der großen räumlichen Entfernung von
Betzdorf/Altenkirchen zu Koblenz gibt es noch in Betzdorf ein Regionalbüro, das
halbtags besetzt ist und auch von Gewerkschaftsmitgliedern des Oberwesterwaldes
in Anspruch genommen werden kann; Anschrift: 57518 Betzdorf, Friedrichstr. 17
(MdL Franz Schwarz). Ausgegliedert wurde seit Anfang 1998 der Rechtsschutz. Er
wird jetzt wahrgenommen von der DGB-Rechtsschutz GmbH, Büro 57072 Siegen,
Koblenzer Str. 29, Tel. 0271/53076; sie hält noch Sprechstunden in Betzdorf.
Örtliche ehrenamtliche Ortsgruppen
und Ortsvereine bestehen noch für die
· IGBCE
(Bergbau, Chemie, Energie) in Höhn; Vors.: Wolfgang Reinhardt (Höhn);
zuständiger hauptamtl. Bezirk Neuwied-Wirges in 56564 Neuwied, Langendorferstr.
66 (die IG Bergbau u. Energie hat mit der IG Chemie, Papier, Keramik
fusioniert; auch die Gewerkschaft Leder ist in die IGBCE eingegliedert)
· Transnet,
Gewerkschaft der Eisenbahner Deutschlands, Ortsverwaltung Westerburg;
Vorsitzender Harald Günther, Borngasse 2, 56459 Langenhahn
· ver.di
(Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft), Ortsverein Hachenburg, Fachbereich
Medien; Vors.: Gerhard Johnen, Luckenbach, Bornstr. 6; Mitgliederstand am
31.12.2002: 108. In die IG Medien war vor längerer Zeit die Gewerkschaft Kunst
überführt worden.
· ver.di
(Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft), Betriebsgruppe Seniorinnen - Senioren
Westerwald 2, Vors. Helmut Gotthardt, Rudolf-Dietz-Str. 4, 56457 Westerburg;
Stand: 10.12.2003; früher für die DPG Ortsverwaltung Westerburg usw.
· ver.di
(Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft), Betriebsgruppe Seniorinnen - Senioren
Westerwald 1, Vors. Gerd Speicher, Büdenholzer Str. 43, 57555 Brachbach/Sieg;
Stand: 10.12.2003; früher für die DPG Ortsverwaltung Hachenburg usw.
Nur noch überörtliche
Organisationen (mit wenigen ehrenamtlichen Betriebsgruppen oder Ortsvereinen)
sind:
· ver.di
(Vereinte Dienstleistungsgewerkschaft), Bezirk, 56068 Koblenz, Schloßstr. 37,
Tel. 0261/97355-0. Nach drei Jahren intensiver Vorarbeiten hatten im März 2001
die Gewerkschaftskongresse der DAG (Deutsche Angestellten-Gewerkschaft), HBV
(Gewerkschaft Handel-Banken- Versicherungen), IG Medien, ÖTV (Gewerkschaft
Öffentliche Dienste, Transport und Verkehr) und DPG (Deutsche Postgewerkschaft)
grünes Licht für die Bildung von ver.di gegeben. In welchen Betrieben und
Dienststellen weitere ehrenamtliche Organisationseinheiten bestehen, ist mir
derzeit nicht bekannt.
· Gewerkschaft
Nahrung, Genuß, Gaststätten, 56068 Koblenz, Moselring 5 - 7a
· Industriegewerkschaft
BAU (Bauen-Agrar-Umwelt),Sitz in Wiesbaden mit Nebenstelle in 65549 Limburg, Weiersteinstr.
17 (in die IG BAU wurde die frühere Gewerkschaft Gartenbau, Land- u.
Forstwirtschaft eingegliedert)
· IG
Metall, Verwaltungsstelle, 57518 Betzdorf, Moltkestr. 25 (der IG Metall haben
sich auch die Gewerkschaft Textil-Bekleidung und die Gewerkschaft Holz u.
Kunststoff angeschlossen).
· Gewerkschaft
Erziehung und Wissenschaft (Stand 7.6.2002), Landesverband Rheinland-Pfalz,
Neubrunnenstr. 8, 55116 Mainz, Tel. 06131/28988-0. Die derzeitige
GEW-Mitgliederzahl im Oberwesterwald wird auf 160 geschätzt. Seit 1972 gibt es
keine GEW-Ortsvereine mehr, sondern nur einen GEW-Kreisverband Westerwald
(Vorsitzender Erwin Wolf, Königsberger Str. 11, 56412 Heiligenroth). Erwin Wolf
ist auch Mitglied des Bezirkspersonalrates Grund- und Hauptschulen bei der ADD
Trier. Zwischen Landes- und Kreisverband gibt es den Bezirk Koblenz; Vorsitzender
ist Achim Wagner, Gartenstr. 5 A, 65558 Holzheim, Tel. 06432/911899. Die
hauptamtlich besetzte GEW- Geschäftsstelle Nord befindet sich in 56068 Koblenz,
Hohenzollernstr. 64, Tel.
0261/1332880, Fax: 0261/1332881, E-Mail: GEW-Nord@GEW-Rheinland-Pfalz.de (Bernd
Huster). Bei den Realschulen und beim Gymnasium Marienstatt sind nur
wenige Lehrkräfte in der GEW organisiert (Vertrauensmann beim Gymnasium Marienstatt
ist Conrad Görg, Montabaur). Eine starke GEW-Gruppe besteht bei der
Berufsbildenden Schule Westerburg (Vertrauensmann bei der BBS ist Reiner
Probst, Westerburg).
· Gewerkschaft
der Polizei, Kreisgruppe Westerwald/Rhein-Lahn, Polizeiinspektion Montabaur
z.H. Achim Eggert, Kreisgruppenvorsitzender, Kirchstr. 45, 56410 Montabaur
(hauptamtlich besetzt ist erst die „Gewerkschaft der Polizei, Landesbezirk Rheinland-Pfalz,
Forsterstr. 31, 55118 Mainz,
z.H. Thomas Will); örtl. Vertrauensmann ist Ulli Leukel, Unnau,
Polizeiinspektion Hachenburg; er gehört auch dem örtl. Personalrat der
Polizeidirektion Montabaur an; Personalratsvorsitzender ist Burkhard Kaiser,
Kölbingen, bedienstet bei der Polizeiinspektion Westerburg; als
Seniorenvorsitzender der Kreisgruppe Westerwald war Karl Wisser, 56414
Wallmerod, Kirchstr. 15, bis 1999 tätig. Gegenwärtige Mitgliederzahl im Bereich
des ehemaligen Oberwesterwaldes: 81.
Trotz der strukturellen
organisatorischen Änderungen pulsiert weiterhin reges gewerkschaftliches Leben
im Oberwesterwald. Nur drei Namen möchte ich hierzu erwähnen:
Clemens Helsper, Höhn, IG BCE,
war seit 1989 bis zu seiner Verrentung Betriebsrat bei der Firma Knoche; im
DGB-Kreisvorstand war er bis 1989. Wolfgang Reinhardt, Höhn, gehört dem
Bezirksvorstand der IG BCE an. Lothar Behr, Nistertal, IG BAU, ist Mitglied der
Tarifkommission und Betriebsratsvorsitzender der BAG Linz (Westerwälder Hartsteinwerke,
Betrieb Stöffel, Nistertal / ehemals Leistert Stockum).
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