2.3.9 Eisenbahn, Eisenbahnbau, Bahnhöfe und Straßenverkehr
Der industrielle Aufschwung des
Oberwesterwaldes war erst möglich durch die Verkehrserschließung, besonders
durch den Bau der Westerwälder Eisenbahnlinien mit den Strecken Altenkirchen-Hachenburg
(1885), Hachenburg-Hadamar (1886), Driedorf-Rennerod (1906),
Rennerod-Fehl-Ritzhausen-Westerburg (1907), Westerburg-Montabaur (1910),
Fehl-Ritzhausen-Marienberg (1907), Marienberg-Erbach (1911) und
Hachenburg-Selters (1901, Schmalspurbahn). Dem Bau der Bahnstrecken waren
Gelände-Enteignungen vorausgegangen, z.B. in 1884 für die Strecke Hachenburg -
Westerburg.
Viele Arbeitskräfte, darunter
auch aus Italien, Polen und Kroatien, wurden beim Bau der „Erbacher Brücke“
beschäftigt. Sie wurde am 31.8.1911 nach sechsmonatiger Bauzeit fertiggestellt
und eingeweiht, ist 300 m lang und 31 m hoch und verband die Stationen Erbach,
Marienberg und Fehl-Ritzhausen. Es war damals die größte Betonsteinbrücke
Deutschlands.
In der Westerwälder Zeitung vom
21.10.1884 wird berichtet, daß auf der neuerbauten Eisenbahnstrecke
Altenkirchen-Hachenburg mit dem Legen der Schienen begonnen wurde. Nicht von
allen Bewohnern wurde der Bau mit Begeisterung begrüßt. Es heißt u.a.: „Dicht an unseren Häusern vorbei braust die
Locomotive, 12, oft 18 Wagen, mit Schutt beladen, sind ihr angehängt. Sie hilft
am Bau der Bahn durch unser bisher stilles Nisterthal, hundert und mehr Leute
aus den verschiedensten Gauen sind beschäftigt an den Erdarbeiten und dem
Mauerwerk. In dem Dienste des Herrn Dinndorf, des Unternehmers der Strecke von
Büdingen bis an den Hirzbach unterhalb Korb, stehen Arbeiter aus Hannover, der Rheinprovinz,
aus Bayern, Württemberg und unseren östlichen Provinzen. Der fremde Maurer
erhält als Gagelohn 3-3,50 Mark, der fremde Erdarbeiter dagegen 2,50-3 Mk.,
Arbeiter aus hiesiger Gegend erhalten weniger Lohn…“.
Das Problem der „Fremdarbeiter“
bestand auch schon beim Bau der Westerwälder Eisenbahnen. Die Westerwälder
Zeitung berichtet hierzu am 30.4.1900: „Hachenburg.
Ca. 50 - 60 polnische Arbeiter sind zum Bau der Eisenbahnstrecke Hachenburg-Selters
eingetroffen. Ausländische, insbesondere polnische Arbeiter, sind gem. Erlaß v.
4.9.1899 des Ministers des Innern binnen 3 Tagen nach der Ankunft ärztlich zu
untersuchen und, soweit erforderlich, gegen Pocken zu impfen. Für jeden
minderjährigen Arbeiter ist ab 1.10.1900 ein Lohnzahlungsbuch auf Kosten des
Arbeitgebers einzurichten.“
Und ständig wollten beim Bahnbau
weitere Arbeitskräfte eingestellt werden. Der Westerwälder Zeitung vom
23.5.1905 ist folgendes zu entnehmen: „Mbg.
Der Zuzug von ausländischen Arbeitskräften (fast ausschließlich Kroaten) zum Bahnbau
ist so stark, daß dieselben zum großen Teil nicht eingestellt werden konnten.
Die Leute befinden sich in bedauernswerter Lage, und arbeiten schon gern, wenn
ihnen Gelegenheit geboten, bei den hiesigen Bewohnern sowie in den Nachbarorten
für die Beköstigung oder doch nur geringen Lohn.“
Die Probleme mit den
ausländischen Arbeitskräften gingen weiter. Am 18.7.1905 wird berichtet: „In den letzten Tagen trafen wiederum eine
Anzahl Arbeiter (Italiener) hier ein, welche an der Teilstrecke der Westerwaldquerbahn
bei Fehl-Ritzhausen beschäftigt werden. Die it. Arbeitskräfte werden gegenüber
den Kroaten vorgezogen. Den nur teilweise beschäftigten Kroaten ist bereits vor
einiger Zeit gekündigt worden und sind die in sehr ärmlichem Zustande hier angekommenen
Arbeiter nach wochenlangem kümmerlichen Leben wieder abgezogen.“
Die Schulchronik aus
Fehl-Ritzhausen vermerkt in 1906 zur Westerwaldquerbahn:
„Der Eisenbahnbau schreitet gut voran, über 250 Kroaten und Italiener
sind in hiesiger Gemarkung in Arbeit… Unter den Eisenbahnarbeitern entspann
sich häufig Streit; deshalb wurde vom 21. Oktbr. hier eine Gendarmeriestation
errichtet…“
Arbeitskräftebedarf für den
Bahnbau bestand auch weiterhin. In der Westerwälder Zeitung vom 13.11.1906 wird
annonciert, daß für die Neubaustrecke Fehl-Ritzhausen-Westerburg 60-80
Oberbauarbeiter bei hohem Lohn für Winterbeschäftigung eingestellt werden. Im
Januar 1907 werden von der Königlichen Eisenbahn-Bau-Abteilung in Westerburg 20
tüchtige Arbeiter bei durchschnittlich 0,35 Mk. Stundenlohn für sofort gesucht.
Eine ähnliche Anzeige erscheint auch im April 1907.
Auch Anschlußgleise für
Steinbrüche- und Braunkohlenbergwerke wurden gebaut. So wurde das Anschlußgleis
von der Braunkohlengrube „Alexandria“ an die Bahnlinie Rennerod-Westerburg mit
dem Eröffnungstag 16.7.1907 fertiggestellt. Zwei Presseberichte, wonach in 1900
geplant war, zum Aufschluß des Rothenbacher Steinbruches und der Basaltwerke
Himburg Anschlußgleise von Langenhahn aus zu bauen, sind ebenfalls bekannt.
Über Feldbahn-Anschlüsse wurde das Material oft zu den Eisenbahnlinien
transportiert. Alte Marienberger können sich sicher noch an die
Feldbahnschienen aus der „Bacher Lay“ zur Verladerampe zwischen der Marienberger
Nistertalbrücke und Großseifen erinnern, ebenso an den „Bremsberg“ von den
Westerwaldbrüchen Marienberg und der Firma Hamann, Zinhain zum Bahnhof Marienberg-Langenbach.
Nennenswerte Bahnhöfe im
Oberwesterwald sind Rennerod, Westerburg, Hachenburg, Fehl-Ritzhausen und Marienberg-Langenbach.
Bahnmeistereien bestanden zu
bestimmten Zeiten in Rennerod, Fehl-Ritzhausen, Westerburg, Hachenburg und Marienberg.
Mit welchem Selbstverständnis
sich die Mitglieder der Königlich Preußischen Eisenbahn-Verwaltung noch
verpflichtet fühlten, zeigt ein Blick in die damaligen Vereidigungsurkunden.
Auch der einfache Arbeiter mußte seinen Diensteid mit folgendem Wortlaut
ableisten: „…Seiner Königlichen Majestät
von Preußen, meinem Allergnädigsten Herrn, untertänig, treu und gehorsam zu
sein und alle obliegenden Pflichten nach bestem Wissen und Gewissen zu
erfüllen…“.
Zur Kleinbahn von Hachenburg nach
Selters („Kleinbahn-AG Selters-Hachenburg“) ist zu bemerken, daß sie am
12.3.1900 gegründet wurde. Der Bau war durch ein Komitee in 1895 beantragt
worden. Es handelt sich um eine Schmalspurbahn, mit deren Bauarbeiten bereits
in 1899 begonnen und die am 1.8.1901 in Betrieb genommen wurde. Kostenpunkt:
2,117 Millionen Reichsmark. Es waren 4 Dampfloks (bei der Erstausstattung nur
3), 4 Personenwagen, 2 Post- u. Gepäckwagen und 54 meist offene Güterwagen
vorhanden. Die Gesamtlänge betrug 23,31 km. Die feierliche Eröffnung mit Ehrengästen
(Sonderzug) fand am 29.7.1901 von Hachenburg nach Selters statt. In Betrieb war
die Kleinbahn vom 1.8.1901 bis November 1932 (im November 1932 wurde der Personenverkehr
von Herschbach nach Hachenburg eingestellt) und erneut ab Juli 1936 mit dem
modernen Diesel-Triebwagen VT 1. Erneutes Ende des Personenverkehrs auf der
Strecke Herschbach - Selters war im Frühjahr 1960, auf der Strecke Herschbach -
Hachenburg schon früher durch Genehmigungen des Regierungspräsidenten vom
1.2.1951 u. 14.7.1951. Der letzte Güterzug fuhr Ende Oktober 1960. Zu bemerken
ist noch, daß im Zuge der Rheinland-Besetzung 1923 durch französische und
belgische Truppen der Personenverkehr zeitweise eingestellt wurde.
Was den öffentlichen
Straßenverkehr anbetrifft, soll er unterschieden werden in Last- und Personenverkehr.
Für Gütertransporte sind in den
Vor- und Nachkriegsjahren des 2. Weltkrieges besonders die Firmen Robert
Weyand, Kirburg und Emil Mann, Langenbach b.K. bekannt gewesen.
Personen- bzw. Omnibusverkehr
wurde durch die Firmen Leopold Stahl, Salzburg, Viktor Sahm, Oberroßbach, Ernst
Sahm, Marienberg, Gebr. Beul, Rehe und Schöndorf aus Schönberg betrieben. Nach
der Stillegung der Grube Alexandria vergrößerte sich die Zahl der Omnibusse
erheblich, die täglich Bergleute aus dem Oberwesterwald in die Gruben des
benachbarten Siegerlandes transportierten. Erinnert sei nur an die Gruben
„Pfannenberger Einigkeit“ (1270 m) in Salchendorf und „Füsseberg“ in
Daaden-Biersdorf.
Schon früh am Morgen mußten diese
Westerwälder Bergleute aufstehen (4.00 Uhr), um pünktlich ihrer Omnibusse zu
erreichen. Nach Ankunft auf der Zeche wurde die Kontrollmarke in Empfang
genommen, dann ging es in die Kaue zum Umziehen, danach
Grubenlampen-Aushändigung und um 6.00 Uhr wurde angefahren. Nach Schichtende
fuhren sie den weiten Weg wieder zurück nach Hause.
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