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7.3 Hermann Kempf

Abb. 7.3 Hermann Kempf
Hermann Kempf wurde am 10.3.1900
als Sohn eines Bergmannes in Marienberg geboren. Seine Jugend war durch harte
Arbeit geprägt. Bereits vor seiner Schulentlassung war er im Steinbruch der
Firma Reeh in Zinhain tätig, wo er seinem Vater als Steinklopfer half. Im Jahre
1914 wurde er aus der Schule entlassen und mußte zur vormilitärischen
Ausbildung zur Jugendwehr; gleichzeitig setzte er seine Arbeit im Steinbruch
fort. 1917 wurde er gemustert und zu den 25er-Pionieren nach Mainz eingezogen.
Beim „Barras“ begann für ihn eine schwere Zeit, da er sich nicht scheute, auch
in der preußischen Armee seine Meinung immer klar und deutlich zu sagen. Er
mußte nicht mehr an die Front und wurde beim Kriegsende 1918 aus dem
Heeresdienst entlassen. Nach der Militärzeit, also 1918, trat er sofort der
USPD bei und wurde Mitglied der freien Arbeiterbewegung. 1919 war er bereits
Kassierer der USPD-Ortsgruppe Marienberg. Außerdem war er bereits Betriebsrat,
Gewerkschaftskassierer sowie Kassierer der Volksfürsorge und des Arbeiter-
Turn- und Sportvereins, später auch erster Vorsitzender der
Kreiserwerbslosenbewegung. Da er sich konsequent für seine Arbeitskollegen
einsetzte, wurde er wiederholt durch seine Arbeitgeber gemaßregelt. Bis 1928
schrieb er Berichte für die SPD-Zeitung „Die Volksstimme“ im
Lahn-Dill-Westerwald-Bereich und nutzte auch das Faustrecht, um sich bei seinen
Gegnern durchzusetzen. In einem Falle verjagte er wegen diskriminierender
Beleidigungen den Unternehmer samt Betriebsleiter mit einer Schaufel aus dem
Betrieb. Aus 100 Meter Entfernung wurde ihm seine Kündigung zugerufen. Um diese
Situation zu verstehen, muß man wissen, daß Hermann Kempf über 1,90 m groß und
breit gebaut war. Er besaß außergewöhnliche Körperkraft, die ihm aber auch bei
der Bearbeitung des Basaltes nützlich war. Von 1918 bis 1928 war er Steinbrecher
im Steinbruch Weidling in Langenbach/Großseifen, bei der Firma Hamann in
Zinhain und bei den Westerwaldbrüchen, Werk 1 und 2 in Marienberg und in der
Bacher Lay. Anschließend war er 7 Jahre lang arbeitslos und bezog
Wohlfahrtsunterstützung, leistete aber etwa 1500 unentgeltliche Arbeitsstunden
beim Bau des Volkshauses in Marienberg, das 1930 eingeweiht wurde. In 1930
wurde er Mitglied der KPD und im Gemeinderat Abgeordneter dieser Partei.
Außerdem war er bis 1933 Vorsitzender der KPD-Ortsgruppe Marienberg und
Vorstandsmitglied der Bezirksleitung Köln. Nach einer friedlichen Demonstration
der Arbeiterbewegung gegen die faschistische Gefahr am 4. Januar 1932 wurden
vor dem Schnellgericht in Marienberg „59 friedfertige Menschen wegen ihrer Teilnahme
an der Demonstration angeklagt und zu verschiedenen Gefängnisstrafen
verurteilt“. Unter ihnen auch Hermann Kempf, dem Landesverrat und
umstürzlerische Tätigkeit vorgeworfen wurde und der in das Zentralgefängnis
Freiendiez eingeliefert wurde. Nach dem Reichstagsbrand am 27. Februar 1933
tauchte er für einige Zeit unter, flüchtete dann nach Köln, war anschließend in
Mayen aktiv und kehrte dann in den Westerwald zurück.
Aus Zeitungsberichten geht
hervor, daß man ihn fälschlicherweise sogar als Reichstagsbrandstifter suchte.
Nach den Reichstagswahlen vom 5. März 1933 versteckte er sich bei
Sozialdemokraten, da der gesamte Westerwald nach ihm abgesucht wurde. Von dort
ging er zu Verwandten nach Wiesbaden, verteilte Flugblätter und wurde bei einer
solchen Aktion am 1. Mai 1933 gefaßt. Auf dem Polizeipräsidium Wiesbaden hielt
man ihn 4 Wochen fest; anschließend 14 Tage inhaftiert in Frankfurt, bevor er
am 15. Mai 1933 erneut in das Zentralgefängnis Freiendiez in strenge Einzelhaft
überführt wurde. Nach 4 Monaten Haft in Freiendiez erfolgte am 16.9.1933 seine
Deportation in das KZ Esterwegen, das er mit viel Glück überstand; zweimal
entrann er nur knapp dem angekündigten Todesurteil. Nach seiner Entlassung am
27. Dezember 1933 war er bis 1935 arbeitslos und bekam dann eine Arbeitsstelle
als Steinklopfer bei der Westerwälder Pflastersteinindustrie. Am 6. April 1935
heiratete er seine Frau Erna; der Ehe entstammen 3 Töchter. Ein Jahr später, am
26. August 1939, wurde er zur Wehrmacht einberufen und wurde einem Baubataillon
zugeteilt, das in Möhn in der Eifel zusammengestellt worden war und später
aufgelöst wurde. Ein neues Baubataillon wurde in Mügeln in Sachsen gebildet,
mit dem Hermann Kempf bei der Offensive in 1940 nach Frankreich verlegt wurde.
Nach seiner 14monatigen Dienstzeit bei der Wehrmacht arbeitete er auf der Grube
Concordia (Gewerkschaft „Neuhaus II“) in Unnau bis 1944 als Hauer unter Tage,
dann im Rüstungsbetrieb Röchling in Wetzlar, wo er zum Kranführer ausgebildet
und fristlos wegen politischer Unzuverlässigkeit entlassen wurde. Im Zusammenhang
mit dem Attentat auf Hitler am 20. Juli 1944 wurde er für einige Tage verhaftet
und kehrte anschließend in die Braunkohlengrube Concordia (Gewerkschaft
„Neuhaus II“) zurück, wo er als Hauer unter Tage arbeitete. Als Kriegsgefangene
im Betrieb beschäftigt wurden, mußte er auf Drängen der Kreisleitung die Grube
verlassen und kam in einen Steinbruch, wo man ihn zum niedrigsten Stundenlohn
beschäftigte. Nach dem Einmarsch der alliierten Truppen in 1945 versuchte er,
in seinem damaligen Wohnort Langenbach/M. eine gewisse Ordnung wieder
herzustellen, zu Aufbauarbeiten aufzurufen und schützte die Bevölkerung vor
Übergriffen der sogenannten Fremdarbeiter. Er nahm wieder Arbeit bei der „Gewerkschaft
Neuhaus II“ auf und wurde dort zum Betriebsratsvorsitzenden gewählt (vgl.
Bescheinigung des Bürgermeisters der Stadt Marienberg vom 29.8.1945). Ab 1.
Sept. 1945 als Gewerkschaftssekretär tätig, ist über diese Tätigkeit bereits an
anderer Stelle berichtet worden. Dabei soll nicht unerwähnt bleiben, daß ihn
der erste Nachkriegs-Landrat Schneider in 1946 zum Ehrenbürger des
Oberwesterwaldkreises ernannte.
Er trat in 1945 wieder der KPD
bei, wirkte im Stadtrat und im Kreistag mit und wurde auch als Vorsitzender der
VVN (Vereinigung der Verfolgten des Nationalsozialismus) gewählt, wo er für die
OdF (Opfer des Faschismus) ehrenamtlich tätig wurde. Nach seinen Angaben wurde
er wegen seines Redebeitrages gegen Militarismus und Wiederaufrüstung auf der
DGB-Bundeskonferenz am 27./28.2.1952 in Düsseldorf am 13.3.1952 vom
Landesbezirksvorstand Rheinland-Pfalz des DGB entlassen. Er war dann anschließend
einige Jahre für die KPD tätig und wurde nach dem Verbot dieser Partei am
17.9.1956 als städtischer Arbeiter bei der Stadt Marienberg beschäftigt. Von
Mai 1959 bis August 1961 veröffentlichte er regelmäßig die Zeitung „Wegweiser“
für Arbeiter und Bauern im Westerwald. Bei der Bundestagswahl 1961 trat er als
Direktkandidat der damals illegalen KPD auf. Wegen dieser politischen Tätigkeit
saß er vom 23.8.1961 bis kurz vor Weihnachten 1961 und ab Januar 1962 bis
Mai/Juni 1962 in Untersuchungshaft in Koblenz auf der Karthause ein. Im Prozeß
wurde er zu einer Freiheitsstrafe von weniger als 9 Monaten verurteilt. Da ihm
die Untersuchungshaft angerechnet wurde, konnte er sofort nach Beendigung des
Prozesses nach Hause zurückkehren. Nach 1962 trat Hermann Kempf der DKP bei,
hatte aber weder in der Stadt noch im Kreis ein politisches Amt. An seinen
„runden“ Geburtstagen würdigte die Westerwälder Zeitung seine Verdienste. Sie
publizierte auch den Titel bzw. Beinamen, den ein Schulungsleiter auf einem
DGB-Lehrgang ihm gegeben hatte: „Der Löwe vom Westerwald“.
Hermann Kempf verstarb am 2. März
1988. Neben vielen Mitbürgern erwiesen ihm Vertreter der Gewerkschaft, der
Verbandsgemeinde und der Stadt die letzte Ehre.
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