6.1.5 Unternehmer
Viel Ärger gab es in den ersten
Jahren auch mit den Unternehmern. Sie waren aus dem 3. Reich noch an das
Prinzip des „Betriebsführers und der Gefolgschaft“ gewöhnt. Nicht bei allen
setzte der Umdenkungsprozeß so schnell ein wie es erforderlich gewesen wäre.
Hermann Kempf scheute dann nicht, solche Unternehmer und Betriebsleiter
öffentlich in der Presse zu brandmarken. Einige Auszüge sollen es nachstehend beweisen:
„…Zunächst die Krone der Schöpfung, der Aktivist und Militarist Herr
Pg. Jansen, welcher noch lustig weiter regiert auf dem Kraftwerk Höhn und Grube
Alexandria. Wer kennt ihn nicht, diesen aalglatten Herrn Jansen, seine Betriebsappelle
während der Nazizeit, seine Androhungen an die sogenannte ‚Gefolgschaft’ von
wegen KZ usw.? Warum findet er keine Verwendung am Wiederaufbau zerstörter
Städte, an den Trümmern, die er mitverschuldet hat?“
„…Waldemar Hess, Westerwälder Rundholzbau, eine Figur aus dem Dritten
Reich, welche noch allgemein in Erinnerung ist als fanatischer
Nationalsozialist und ständig die Arbeiterschaft während des Dritten Reiches
einschüchterte mit seinen persönlichen Beziehungen zu ‚Göring, Himmler und
Gauleiter Sprenger’. Er ist ein großer Meister im Bluffen, Atomforscher? und
als ehemaliger KZ.-Sträfling gibt er sich aus. Auch ihm ist es vergönnt,
gemeinsam mit seiner Prokuristin, einer üblen Denunziantin, Frau Korchan, auf
die Arbeiterschaft losgelassen zu werden. Wie man einst es verstand mit Göring
und Konsorten zu bluffen, so blufft man heute mit den Verbindungen zur
französischen Militärregierung…“
„…Eine weitere Blüte in der einst friedlichen Bacher-Ley, in
unmittelbarer Nähe von Marienberg, ein Mann unbekannter Herkunft, Herr ‚Hassepass’.
Zu Hitlers Zeiten Führer einer Naziorganisation Dr. Todt, heute wieder lebendig
am Werke. Sein Betrieb bzw. sein ‚Laden’, den er unterhält, ist alles andere
wie vorbildlich. Er erinnert mehr an eine Züchtigungsanstalt in der einst so
romantischen u. friedlichen Bacher-Ley…“
„…zum Abschluß einen Herrn, welcher als Vertreter der Nicht-Pg. im
Entnazifizierungsausschuß eine Rolle spielte für die Lederindustrie, Herr
Martin. Die Art dieses Herrn, sein Verhalten seiner Belegschaft gegenüber ist
derart, daß er alle Nazis bei weitem übertrifft in Punkto
‘Arbeiterfreundlichkeit’. Dieser Herr Martin glaubt es heute noch ablehnen zu
müssen mit den Vertretern der Gewerkschaft zu verhandeln. Sein Gebaren
gegenüber den Lehrlingen, die Ausbeutung derselben, kurzum mit welchen Mitteln
und Methoden er zu Werke geht, ist skandalös. Eine gerechte Entlohnung
derselben hintertreibt er insofern, als er nach Abschluß der Lehrzeit keinen
Gesellenlohn zahlt, solange keine Gesellenprüfung abgelegt ist…“
„…Eine andere Blüte aus dem Dritten Reich, der Naziaktivist Kettemer,
Neunkhausen, ist wegen seiner ‚sozialen’ Einstellung hinreichend bekannt. Er
entläßt, als die Belegschaft sich anschickte, einen Betriebsrat zu wählen, den
in Frage kommenden Kollegen ohne jegliche Begründung, da er vermutete, daß
nunmehr in seinem Betrieb Abhilfe geschaffen würde…“
Es ist bekannt, daß es auch der
Betriebsleiter Meier von der Grube „Alexandria“ versuchte, der
Gewerkschaftsarbeit Schwierigkeiten zu bereiten.
Aber auch vor Gerichten trat
Hermann Kempf als Bevollmächtigter auf. So z.B. gewann er beim Oberversicherungsamt,
das damals an Stelle der noch nicht geschaffenen Sozialgerichte tätig war, eine
Klage des Kollegen Weber, Stockhausen gegen die Hessische Knappschaft auf
Gewährung von Knappschaftsvollrente.
Vor den Arbeitsgerichten war
Hermann Kempf wegen seiner Beweisführung gefürchtet. Erinnert sei nur an die Prozesse
Reinhold Opfer, Hof ./. EWAG, Höhn oder A. Beyer ./. Anton Jung. Hier hatte der
Strumpfwarenfabrikant Jung versucht, seiner jungen Angestellten die Strümpfe
anzuprobieren, was sie ablehnte und darauf entlassen wurde. Es kursierte damals
im Oberwesterwald ein Gedicht, dessen Anfangsstrophe lautete:
„Na Anton, war das vielleicht ‘ne Pleite,
in Marienberg vor Gericht,
wir hatten alle uns’re Freude,
nur du alleine nicht…“
Der Präsident des
Landesarbeitsgerichts äußerte sich einmal: „Arme Prozeßgegner, die Kempf in die
Hände fallen; er säbelt sie alle nieder…“.
In diesem Zusammenhang fällt mir
auch der Anfang eines Gedichtes ein, der wegen des strengen Arbeitsklimas (es
durfte während der Arbeit nicht gesprochen werden) bei der Firma Schroer &
Co, Bekleidungsindustrie, untergebracht in der Marienberger Turn- bzw. Stadthalle,
in Umlauf war:
„Hier in diesen städt’schen Hallen
dringt kein Laut an unser Ohr;
nur noch Seufzer hört man fallen,
wenn man eintritt durch das Tor…“
Vier bis fünf Betriebsbesuche
waren täglich die Regel bei Hermann Kempf. Betriebsräte wurden bei allen
Unternehmen gebildet.
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